Zu den Aufholern in Bayern zählen Augsburg in der Gruppe 1, Regensburg in der Gruppe 2 und Zirndorf in der Gruppe 4. Diese Städte haben sich gegenüber dem ADFC-Fahrradklima-Test 2014 am stärksten verbessert.
Engagierte Rad-Förderung zahlt sich aus
Während die traditionelle Fahrradstadt Erlangen im bundesweiten Ranking den Platz an der Spitze räumen musste, profitieren Städte, die den Radverkehr zur Chefsache gemacht haben. Augsburg nimmt mit dem Projekt Fahrradstadt 2020 nicht nur die Bedürfnisse der Bürger ernst, sondern beweist mit einem einstimmigen Stadtratsbeschluss politischen Willen zu konsequenter Fahrradförderung. Regensburg punktet mit der Freigabe von Einbahnstraßen in Gegenrichtung für Radfahrer und der dauerhaften Öffnung der Fußgängerzone für den Radverkehr. Unter dem Motto „Respekt bewegt“ ist es gelungen, die gemeinsame Nutzung zu etablieren. Das wird von den Bürgern honoriert, ebenso wie eine gut gepflegte Radinfrastruktur (Winterdienst, Reinigung). Zirndorf profitiert von der Mitgliedschaft des Landkreises Fürth in der Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen (AGFK) Bayern, mit der Radverkehrsförderung gezielt in Angriff genommen wurde. Die meisten Ziele sind dort zügig per Rad erreichbar und Radfahren macht Spaß. Etablierten Städten hingegen droht weiteres Abrutschen, wenn die Anstrengungen um gute Radverkehrsbedingungen nicht konsequent und langfristig verfolgt werden.
Werbung allein reicht nicht – Sicherheitsgefühl und Radwegequalität zählt
München punktet zwar aus Sicht der Befragten mit Werbung für das Radfahren unter der bekannten Kampagne „Radlhauptstadt“, fällt aber im Ranking zurück, auch weil es zunehmend an mutigen Maßnahmen fehlt, Infrastruktur zu verbessern. Gute Kampagnen und Kommunikation zur Förderung des Radverkehrs sind wichtig, aber eben nicht alles. Die Radlhauptstadt-Kampagne hat sicherlich viel bewegt, jetzt muss aber auch konsequent das ausgegebene Ziel durch den massiven Ausbau der Infrastruktur vorangetrieben werden.
Noch wichtiger als die Infrastruktur sind den Befragten das Sicherheitsgefühl beim Radfahren, die Qualität - also Breite und Oberfläche - der Radwege und die zügige Erreichbarkeit von Zielen. So schneiden in punkto Sicherheit und Komfort z.B. die beiden größten Städte Bayerns – München und Nürnberg – schlecht ab. Und insgesamt ist bei diesen wichtigen Aspekten der Trend negativ.
Gesamtnote: ausreichend
Die Bandbreite der Bewertungen ist groß: So erhielten in Bayern Erlangen (3,34) und Gunzenhausen (2,75) Bestnoten. Schlusslichter sind Würzburg (4,44) und Hof (4,55). Das „Fahrradklima“ insgesamt - also die wahrgenommene Fahrradfreundlichkeit bayerischer Städte und Gemeinden - hat sich seit der letzten Umfrage 2014 leicht verschlechtert und liegt nun bei 3,85 (2014 und 2012: 3,83). Das entspricht einer Schulnote von „ausreichend“. Starken Verbesserungsbedarf haben vor allem die Mittelstädte mit 40-50.000 Einwohnern (EW). Diese Städte belegen sowohl im bayerischen als auch im bundesweiten Ranking die letzten Plätze ihrer Kategorie.
Verstellte und zu schmale Radwege nerven am meisten
Bundesweit sind die meisten Befragten zufrieden mit der Erreichbarkeit der Innenstadt per Rad (Note: befriedigend plus). Auch die Kernfrage „Bei uns macht Radfahren Spaß bzw. Stress“ wird relativ gut bewertet (Note: befriedigend). Genervt sind die Radfahrenden vor allem durch Baustellen oder Falschparker auf Radwegen, ungeeigneten Ampelschaltungen und zu schmale Radwege (Note: ausreichend bis mangelhaft). Und: Die Mehrzahl fühlt sich beim Radfahren nicht sicher (Note: ausreichend). Der massenhafte Fahrraddiebstahl wird ebenfalls in fast allen Städten als schwerwiegendes Problem wahrgenommen (Note ausreichend). Sicheres und komfortables Parken zu gewährleisten, z.B. an den Schnittstellen von Rad und ÖPNV, bleibt damit ein wichtiger Baustein der Radverkehrsförderung. Dass öffentliche Fahrräder eine Lösung für den zunehmenden Abstellbedarf sein können – ein gutes Leihradsystem senkt den Platzbedarf - zeigt die Bewertung in den großen Städten wie Augsburg, München und Nürnberg, die mit den vorhandenen Leihradsystemen deutlich punkteten.
ADFC Bayern unterstützt Umsetzung des Radverkehrsprogramms Bayern 2025
„Der Flaschenhals auch in Bayern ist fast überall eine unterdimensionierte Fahrrad-Infrastruktur. Bayerische Städte brauchen deutlich mehr Platz und Geld für den Radverkehr! Utrecht, Amsterdam oder Kopenhagen machen es vor und geben 30 Euro und mehr pro Kopf und Jahr für den Radverkehr aus, nehmen aber auch dem Autoverkehr Stück für Stück Flächen weg. Hierzulande liegen wir fast überall deutlich unter fünf Euro und malen schmale Streifen auf die Straße. Wenn Bayern ernsthaft seinen Radverkehrsanteil auf 20% bis 2025 erhöhen will, wie im Radverkehrsprogramm Bayern 2025 von der Staatsregierung kürzlich erst beschlossen, brauchen wir mutige Politiker und deutlich höhere Pro-Kopf-Investitionen - und zwar intelligent verteilt auf die Schultern von Bund, Ländern und Kommunen.“, so Armin Falkenhein, Landesvorsitzender des ADFC Bayern.
Um dem selbstgesteckten Anspruch, Radlland Nr. 1 zu sein, entsprechen zu können (im Vergleich mit den anderen Flächenländern liegt Bayern nur im Mittelfeld), müssen viele der im Radverkehrsprogramm genannten Maßnahmen verbindlicher und deutlich besser finanziert werden. „Fahrradstellplätze sind beispielsweise in der Bayerischen Bauordnung kaum nutzergerecht vorgeschrieben. Den Kommunen ist es überlassen, über Satzungen mehr Verbindlichkeit zu schaffen. Zukunftsgerechte Verkehrspolitik sieht anders aus, denn wenn die Hürden zum Radfahren schon am Start hoch sind, wird der Radverkehr nicht maßgeblich zunehmen“ führt Falkenhein aus.
Es stellt sich also die Frage, wie der Radverkehr verbindlicher gefördert werden kann. Der ADFC-Landesvorstand prüft derzeit, ob es dafür nicht einer umfassenden landesgesetzlichen Regelung bedarf. Denn „für die Förderung des Öffentlichen Personennahverkehrs gibt es ein Landesgesetz. Warum nicht auch für den Radverkehr?“ so der Landesvorsitzende.
Was ist eine fahrradfreundliche Stadt?
Nach Überzeugung des ADFC gehört zu einer fahrradfreundlichen Stadt in erster Linie ein durchgängiges, großzügiges, intuitiv verständliches Radverkehrsnetz quer durch die ganze Stadt. Für Alltagsradler, die mit dem Rad zur Arbeit oder zu Terminen fahren, ist es wichtig, dass es direkt geführte Verbindungen gibt, die ein zügiges Vorankommen ermöglichen. Für den Freizeitverkehr sollte es zusätzlich attraktive Grünrouten geben. In Wohngebieten und verkehrsberuhigten Bereichen kann der Radverkehr auf der Kfz-Fahrbahn geführt werden, an stark und schnell befahrenen Straßen muss es einen physisch getrennten Radweg oder eine geschützte Radspur von mindestens zwei Metern Breite geben.
Radwegequalität innerstädtisch – und überregional
Radwege müssen systematisch von Falschparkern, Baustellen und anderen Hindernissen freigehalten werden. Die Oberfläche muss leichtläufig und gut gepflegt sein. In einer fahrradfreundlichen Stadt gibt es außerdem an wichtigen ÖPNV-Knotenpunkten sowie an öffentlichen Einrichtungen, Einkaufszentren und in Wohngebieten ein großzügiges Angebot an sicheren und komfortablen Fahrradabstellplätzen – möglichst auch für größere Räder, wie Lastenräder und Räder mit Kinderanhängern. Für Radfahrer optimierte Ampelschaltungen, klar geregelte Vorfahrt auf Fahrradstraßen und in Kreiseln sowie die Förderung eines rücksichtsvollen Verkehrsklimas schaffen ebenfalls mehr Fahrradfreundlichkeit. Als Verbindung zwischen großen Städten und dem Umland sind breite und kreuzungsfrei geführte Radschnellwege die Lösung der Wahl.
Gutes Fahrradklima hat viele Dimensionen
Nicht zuletzt sind Kommunikation und Sichtbarkeit wichtig: In fahrradfreundlichen Städten fahren auch Bürgermeisterinnen und Verwaltungs-Chefs mit dem Rad, es gibt Aktionstage („autofreier Sonntag“) und Fahrrad-Kampagnen („Mit dem Rad zur Arbeit“, „Stadtradeln“,o.ä.) sowie viele fahrradfreundliche Arbeitgeber, die ihren Mitarbeitern Diensträder, Fahrradparkplätze und Duschen zur Verfügung stellen.
Hintergrund zum ADFC-Fahrradklima-Test
Der ADFC-Fahrradklima-Test ist die größte Befragung zum Radfahrklima weltweit und wurde im Herbst 2016 zum siebten Mal durchgeführt. Er wird durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) aus Mitteln zur Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans 2020 gefördert. Über 120.000 Menschen stimmten bei diesem Durchgang ab, das sind 15 Prozent mehr als beim letzten Durchgang. 539 Städte haben die Mindestanzahl an Stimmen erreicht und es damit in die Wertung geschafft, gegenüber 468 in 2014. Die Zunahme führt der ADFC auf das wachsende Interesse am Thema Fahrrad und Radverkehr zurück. Der Test bestand aus 27 Fragen, wie „Macht das Radfahren Ihrer Stadt Spaß oder Stress?“ oder „Sind die Wege für Radfahrende angenehm breit oder zu schmal zum Überholen?“ oder „Werden Radfahrer als Verkehrsteilnehmer akzeptiert oder nicht ernst genommen?“. Die Umfrage wurde größtenteils online durchgeführt. Bewertet wurde nach dem Schulnoten-Prinzip mit Werten zwischen eins und sechs.
Hinweise für Redaktionen
Alle Ergebnisse und zahlreiche Begleittexte finden Sie am 19. Mai ab 11 Uhr auf www.fahrradklima-test.de. Dort sind auch die Ergebnisse früherer Durchgänge des ADFC-Fahrradklima-Tests abrufbar. Themenfotos „Hier macht Radfahren Spaß“ und „Hier ist Radfahren Stress“ finden Sie im Pressebereich des ADFC-Bundesverbandes.
Die Pressemitteilung mit den bayerischen Kommentaren finden Sie auch hier zum Download.
Über den ADFC
Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. (ADFC) ist mit mehr als 160.000 Mitgliedern bundesweit und über 25.000 Mitgliedern in Bayern die größte Interessenvertretung der Radfahrerinnen und Radfahrer in Deutschland und weltweit. Er berät in allen Fragen rund ums Fahrrad: Recht, Technik und Tourismus. Politisch engagiert sich der ADFC auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene für die konsequente Förderung des Radverkehrs.